Prolog
Eine Halle
im Halbdunkeln, dämmrige Neonröhren und Abgrenzungsbänder weisen dem
schleichenden Zug gebeugter, müder Economy-Menschen den Weg zur Abfertigung.
Aus den Lautsprechern tönt blechern und abgehakt Boney M. „Daddy cool“. Ein
großer Mann mit dunkler Sonnenbrille und weißen Haaren betritt die Halle, zügig
und aufrecht. Viel zu tun, spricht aus seiner Haltung. Außerdem durchweicht das
warme Karamell spürbar die Serviette in der Hosentasche, in der das Stück Businesslounge-Kuchen
für die Enkelin eingewickelt ist. Donnerstag, 04.10.2012, früh morgens,
Cape-Town International Airport: Gust, Horst Gust, betritt die
Temperaturkontrolle, senkt die Sonnenbrille und blickt in die Infrarotkamera.
Auf dem Display erscheint seine Silhouette im bläulichen Schein des sonst
rotleuchtenden Wärmebildes. Die Köpertemperatur eines Kaltblüters, die
Sicherheitsleute zögern, mustern, murmeln, wundern, winken durch. Geschafft!
Afrika.
So oder ähnlich trug es sich zu. 80 Jahre, wer
wird das schon? Und wenn ja, in welchem Zustand? War es nun an der Zeit, sich
aufs Altenteil zurückzuziehen…?
Nach gründlicher Introspektion des eigenen
Selbst fiel die Diagnose überraschend gut aus. Also doch kein Ende? Doch wieder
Skiurlaube, Revival of the Klammerei? Doch nicht zu welk? Außerdem der
Maya-Kalender! Auch wenn man nicht dran glaubt, steht er doch als sinnbildliche
Mahnung zum ausgeschöpften Verbringen der eigenen Zeit. Im Grunde ist es doch
so: Safari bleibt Safari, ob Stadtforst, Großstadtdschungel oder afrikanische
Savanne. Das dachte sich auch der kürzlich gekrönte Jubilar.
Dem demographischen Wandel geschuldet
existieren Anbieter von Seniorenreisen. Statt dem Messgerät im Gepäck, sitzt
dort der eigene Kardiologe im 4x4 Offroader neben einem und jauchzt über die
wilde Fahrt, nur um den Patienten im gleichen Atemzug zu autogenen
Entspannungsübungen zu ermutigen- fürs Herz. Betreutes Seniorenreisen? Das verheißt
fußlahme, gichtgeplagte, vergessliche und verbitterte Rentner um einen herum,
nein, da reicht es doch, wenn man selbst der Älteste ist, Toleranz hat auch im
Alter sein Grenzen. Dafür doch wahrlich zu jung.
Mit 80 Jahren also durch den Dschungel
wandern? Trotz Arthrose Wüsten durchqueren? Für die „Best-Ager“ heutzutage kein
Problem.
05.10.2012
Koordinaten: -Kapstadt-Simon‘s Town-Kalk Bay-Muizenberg-Kapstadt-
Die drittgrößte Stadt Südafrikas, 3,5 Mio.
Einwohner und Sitz des Parlaments in der Tafelbucht des Atlantiks gelegen und
als erste Stadtgründung der Kolonialzeit oftmals liebevoll als Moederstad bezeichnet. Berühmt ist
Kapstadt vor allem durch sein Wahrzeichen, den Tafelberg, dessen plateauförmige
Oberfläche zusammen mit Signal Hill, Lion’s Head und Devil’s Peak die Skyline
der Stadt dominiert.
Die Reise beginnt
mit einem ausgiebigen Frühstück im Hotel, oder wie man ein Essen mit den
Komponenten Müsli, Crêpes, Rührei mit Bratwurst und Kartoffeln kategorisiert.
Auf den Zeigerschlag genau war die soeben eröffnete Tafel von hungrigen Gestalten
umkreist und uns beschlich bereits die leise Ahnung, unter Landsleuten zu sein.
Denn welches Volk ist sonst so penibel korrekt, um sein schließlich teuer
bezahltes Mahl der angekündigten Uhrzeit gemäß in möglichst großer Menge
einzunehmen. Und so war es dann auch. Nachdem wir gesättigt und durch
baden-württembergische Ausführungen zum momentanen Stand der Kultur im Land
gestärkt waren, fuhren wir zum Tafelberg.
Das anfangs trübe und kühle Wetter war schließlich freundlicherem gewichen,
was leider auch den übrigen Ausflüglern nicht verborgen geblieben war. Außerdem
zahlen Rentner und Studenten freitags nur die Hälfte. Bereits am Fuße der
Straße zur Bahnstation standen wir im Stau. Der erfahrene Opa setzte sich fürs
frühzeitige Umkehren ein, die tatendurstigen Greenhorns hingegen, in der
Mehrzahl, überstimmten vorerst. Doch im Angesicht des chinesischen Exodus auf
den Berg, insistierte der Opa erneut, diesmal erfolgreich. „Ja, sagten die
Kinder, recht haste!“
Wir fuhren also im
Sonnenschein wieder davon über die dramatischen Küstenstraßenkilometer des Chapman‘s
Peak Drive nach Simon’s Town, dem wichtigsten Stützpunkt der South African Navy,
deren Schlachtschiffe im Hafen mit den im viktorianischen Stil erbauten Häusern
der britischen Kolonialmacht eine wunderbare Kulisse formen. Doch die
eigentliche Attraktion der kleinen Stadt an der False Bay ist unumstritten die
Kolonie der Brillenpinguine. Nach der ersten ausgiebigen Fotosafari stärkten
wir uns im Hafen mit Apple Crumble mit Vanilleeis und Calamari `n Chips und waren in
Südafrika angekommen.
Der Rückweg nach Kapstadt führte uns durch
die Kalk Bay mit ihren Kunsthandwerk-Läden und Muizenberg mit den bunten
Strandhäuschen und Surfern. Den Sonnenuntergang genossen wir auf dem Signal
Hill mit Blick auf Kapstadt in romantischer Atmosphäre inmitten eines riesigen
Filmteams für einen Apple-Werbespot und einem geruchsintensiven fahrbaren
Donnerbalken.
Der beständige Wind Kapstadts brachte kühle
Abendluft und ließ uns in ein Restaurant einkehren. Wir aßen mit aller rechtschaffenen
Intensivität und verteilten bei der gegenseitigen Fütterung mit kulinarischer
Hochherzigkeit Sushi, kapmalaiisches Meeresfrüchtecurry und Thunfisch in
Sesamkruste über den Tisch. Nachdem auch die Gläser munter umgestoßen wurden,
waren wir uns der Herzen der Kellner gewiss und bekamen einen Nachtisch, dessen
Größe und Dichte selbst Reinhold Messner noch beeindruckt hätte.
06.10.2012
Koordinaten: -Tafelberg, Busrundfahrt, Camps Bay-
Ohne
Frühstück standen wir um 07:30 Uhr am, was das Wetter angeht, divenhaft launigen
Tafelberg, und fuhren in der ersten Gondel nach oben. Erwähnenswert bei dieser
ist, dass der Boden rotiert, was zu kuriosen Turnübungen führt, wenn sich
Menschen krampfhaft am Geländer festkrallen, um ihren mühsam ergatterten Platz
zu behaupten oder einfach nur aus blanker Panik die Hände nicht lösen wollen.
Der höchste
Punkt des Tafelberges ist am nordöstlichen Ende des Felsplateaus mit
1087 m. Die Gesamtfläche beträgt rund 6500 Hektar, zum Vergleich: der
Spandauer Forst hingegen 1347. Oben angekommen gab es Frühstück für Bergsteiger
mit Würstchen und Bolognese inklusive gefiedertem Wildflug im Lokal (Grüße an
Steffi). Bemessen wurde der Preis am Gewicht der Portion, Tagessieger war Gerry.
Er hatte aber ja auch die Servietten und die Butter für die anderen auf seinem
Tablett…
Es folgte eine ausgedehnte Wanderung über den
Berg, die uns an machen steilen Passagen auch zum Klettern zwang. An dieser
Stelle muss einmal gesagt sein, dass der Verfasser dieser Zeilen ab und an von
dem Gefühl übermannt wurde, mit zwei unverbesserlichen Botanikern auf Reisen zu
sein. Selbst die Drohung griff nicht, dass eventuell anwesende großkatzige
Carnivoren von diesem vegetarischen Verhalten, ihrem bekanntlich stolzen
Naturell entsprechend, beleidigt sein mochten und sich verpieseln würden, was
den Wunsch einer Sichtung unmöglich machen würde. Oder waren das nur Strategien
zur unauffälligen Erholung, die Verschnaufpausen als Fotostop zu kaschieren?
Großzügig blühenden Blumen (in der Kapregion besonders der Fynbos) gab es
jedenfalls in Hülle und Fülle. Außerdem sieht der Autor auch ein, dass sich
unbewegliche Ziele vergleichsweise leichter fotografisch dokumentieren lassen. Ein
Anbieter fürs Abseilen an den Klippen bot Opa Horst angesichts seines Alters
sogar den halben Preis an. Nachdem wir jedoch dieses Angebot ausgeschlagen mussten,
nur aus Zeitgründen versteht sich, waren wir schon um 10:30 Uhr an der
Talstation im Bus für die Stadtrundfahrt. Um diese Uhrzeit hatten wir am
vergangenen Tag noch nichts gemacht- außer schlechte Erfahrungen.
Nach einem Besuch der vom fröhlichen Treiben
von Darstellern, Tänzern und Musikern geprägten Victoria und Alfred Waterfront,
wären wir doch um Haaresbreite in die falsche Buslinie gestiegen, hätte nicht
einer aufgepasst: „Ja, sagten die
Kinder, recht haste!“ Mit dem Bus durchfuhren wir die reichen Vororte in den
umliegenden Buchten Kapstadts, durchkreuzten die Innenstadt und sahen das
berühmte Viertel „District Six“, das ein bedrückendes Mahnmal der gewaltsamen
Zwangsumsiedlung innerhalb Kapstadts ist und legten am oasengleichen Company
Garden noch einen Kaffee- und Kuchenstop ein.
Das Abendessen führte uns nach Camps Bay, wo
wir die letzten Sonnenstrahlen am Strand genossen, und danach den Tag mit einer
prächtigen Seefuß-Platte gebührend verabschiedeten. Danach folgte das
allabendliche Ritual im zunehmenden Dämmerzustand prä-noctem: Bilder überspielen
und gemeinsames Rekapitulieren und um 21 Uhr hieß es bereits: Nachtruhe.
07.10.2012
Koordinaten: - Duiker Island, Kap der Guten Hoffnung-
Es regnete
und war windig. Nach kurzer Anfahrt, gingen wir um 10 Uhr an Bord eines Kahns,
der uns zur Robbenkolonie vor die Küste bringen sollte. Wir fühlten uns wie auf
einem Flüchtlingsboot inmitten von Asiaten. Der kräftige Wellengang und das
beständige Rollen des Schiffes zermürbte einen von ihnen derart, dass er eine
Plastiktüte bis zum Bersten wiederkäute. Er wurde von diesem Augenblick an zu
all seinem Unglück auch noch von seinen chinesischen Freunden mit angewiderten
Blicken gemieden, so was macht man ja auch nicht vor anderen Leuten, ist ja
eklig.
Nachdem wir
beinahe ein mannshohes Bild für das Gustsche Wohnzimmer gekauft hätten, kamen
wir am sonnenbeschienen Kap der Guten Hoffnung an. Die mindestens 23 Wracks
unterhalb der Felsenzunge dokumentieren in aller Deutlichkeit, weshalb es
früher wegen seiner Winde und Felsen berüchtigt war und Bartolomeo Diaz es
nicht zu Unrecht bei der Erstumsegelung 1488 Cabo das
Tormentas (Kap der Stürme) nannte. Opa Horst
bemerkte mit spitzer Zunge, dass beinahe alle Flaggen dort wehten, nur die
Deutsche nicht. Ein anderer Deutscher wurde derweilen Opfer der Fütterungswut weiterer
Deutscher, denn ein Vogel biß ihm sein Sandwich aus der Hand. Die Schimpfwörter
klingen uns immer noch in den Ohren und vielleicht gibt es ja wirklich so was
wie Vogeltripper, worüber er mutmaßte, während er dem Vogel den Mittelfinger wild
entgegenschüttelte. Wir bestaunten und erwanderten das Kap und fuhren noch
durch den blühenden Nationalpark, der es großzügig umgibt. Bestimmt wird dieser
durch die vielseitige Fynbos-Vegetation und die weiten Ebenen durchstreifen Strauße,
Kap-Antilopen und Paviane, samt Unmengen an Vögeln. Nach den Besichtigungen des
Tages beschlossen wir, da wir nebst Wild auch den ersten Wal erspäht hatten, diesen
entsprechend mit Surf `n Turf ausklingen zu lassen.
08-09.10.2012
Koordinaten: - Kapstadt, Stellenbosch, Franschhoek,
Hermanus -
Nach der
Besichtigung zweier von mehr als 120 Weingüter und einer geführten Weintour mit
Verköstigung, statteten wir Stellenbosch, der wohlhabenden Weinhauptstadt
Südafrikas, einen Besuch ab. In der Stadt ist die Wirtschaftskraft deutlich
spürbar und das Äußere durch die architektonischen Relikte der niederländischen
Ostindienkompanie bestimmt, die ab Mitte des 17. Jahrhunderts die Kapregion zu
besiedeln begann. Nach einer regnerischen Fahrt zurück zur Küste bezogen wir in
Hermanus bei einem Deutschen Quartier.
Hermanus,
120 Km östlich von Kapstadt, wird zur Walsaison, wenn die südlichen Glattwale
ihre Kälber in der geschützten Bucht großziehen, zu einem pulsierenden
Ferienort. Da unsere Unterkunft an vorderster Front mit Meeresblick gelegen
war, konnten wir den Walen beim Springen aus den Sesseln zusehen. Das ersparte
uns vorerst den strömenden Regen und begleitete die Kaffeepause, die immer
wieder von Ausbrüchen in der Art: „Mensch, was ein Oschi“, „BOAH! SO groß war
wirklich noch keiner, hoho“ untermalt wurde. Katja rief ab und an dazwischen:
„Oh, schaut mal, wie süß.“ Nun ja, manche geschlechterspezifischen Vorurteile
bewahrheiten sich dann eben doch.
Zum Spätnachmittag
hin trieb es uns dennoch hinaus in den Regen, um den Walen näher zu kommen. Die
Bootstour für den nächsten Morgen verschoben wir jedoch angesichts der
Wetteraussichten. Der kommende Tag brachte auch keine Wetterveränderung. Wir
trotzen dennoch am Vormittag dem Regen und wurden auch durch die aktiven Wale
belohnt und hatten sogar das Glück, ein Albino-Kalb zu sehen. Den Mittag
verbrachten wir vor unserem Panoramafenster und spielten eine Runde Phase 10,
die erstaunlich souverän vom Autor gewonnen wurde.
10.-11.10.2012
Koordinaten: - Hermanus, De Hoop Nature Reserve, Knysna -
Um 06:00
ging die Sonne an einem wolkenlosen Himmel auf, das Verschieben der Bootstour
hatte sich gelohnt. Die See war außergewöhnlich glatt und ruhig und die Wale
kamen uns unglaublich nah. Ein fantastisches Erlebnis samt zusätzlicher
Delphin-Herde und Riesenqualle.
Die
Bootstour war um 11:00 beendet und wir fuhren in das De Hoop Nature Reserve.
Zebras, Strauße, Antilopen, Affen und eine riesige weiße Sanddüne direkt am
Meer. Dort tummelten sich auch noch Wale vor der Küste und wir spazierten auf
den verlassenen Sandwehen herum. Für den Nachmittag buchten wir eine
hervorragend geführte Marine-Tour durch die Gezeitenpools am Strand, die uns
alle drei, trotz fortgeschrittener Kälte, Müdigkeit und Hunger, in ihren Bann
zog. Der junge, schwarze Ranger war ein mitreißender Redner und er fischte uns
einen tellergroßen Seestern nach dem anderen heraus, gefolgt von allem
möglichen und unmöglichen Lebewesen (wie z.B. spuckende Anemonen) aus den
Löchern im Riff- nur ein Oktopus ließ ihn mit gesträubten Nackenhaaren und
überschlagender Stimme die Beine in die Hand nehmen. Die Nachtruhe in unserem idyllisch
gelegenen weißen Haus hoch über dem Meer mit Blick auf die Düne, wurde nur
durch die über das Dach hetzenden Paviane gestört.
Vom Abendessen erwähnenswert: Wir bekamen
nicht die üblichen Bonbons mit der Rechnung, was für uns tatsächlich ein
mittelschwerer Schock war und uns gegenüber saß ein jungfrauliches Abenteurerpärchen
auf Hochzeitsreise, wie die Spuren im Sand uns bereits verraten hatten. Der Mann nötigte Gerry einige
Selbstbeherrschung ab, denn er aß wie eine Kopie des TV-Gastrokritikers Heinz
Hormann. Er begutachtete sein Steak, nickte zufrieden, forschte weiter,
wendete, schob und säbelte und kaute, wie es Loriot nicht hätte besser zeichnen
können.
Apropos Essen: Da wir uns am nächsten Morgen
selbst versorgen mussten, gab es zum Frühstück Sandwiches. Das kam bei Opa
nicht gut an. Salat zwischen Brotscheiben schienen keinen sinnvollen Zusammenhang
zu bilden. Es war im Übrigen bitterkalt und da wir eh die längste Fahrt der
Reise vor uns hatten, verweilten wir nicht unnötig lange. Die ersten Kilometer
mussten wir über Schotterpisten durch die Kornkammer des Westkaps fahren und
auch einen Fluss mit handgezogener Autofähre überqueren. Nach quälend langer
Zeit erreichten wir schließlich die Autobahn.
Nächster Halt war Knysna, die Hauptstadt der
Garden Route, die an einer Lagune liegt, die nur durch eine schmale, felsige
Einfahrt mit dem Indischen Ozean verbunden ist. Bekannt ist die Stadt auch
durch die Austernzucht und das blamable Scheitern der französischen
Nationalmannschaft von 2010, le fiasco de Knysna.
Nach einer
Lagunenrundfahrt auf einem Dampfer aßen wir bei Ocean Basket zu Abend. Nachdem
wir mal wieder eine großzügige Portion niedergerungen hatten, begann der forsche
Kellner erneut den Tisch vorzubereiten und brachte uns die Vorspeisenbrote und
Dips, woraufhin wir im Chor stöhnten: „NO! Please not again!“
12.10.2012
Koordinaten: -Knysna, Plettenberg Bay, Nicks Village, Nature Valley, Storms River-
Nach dem Frühstück erreichten wir nach einer
halben Stunde Fahrt Plettenberg Bay, das 600 Km von Kapstadt entfernt,
malerisch an der Mündung des Keurboom's River gelegen ist.
Auf mehreren Aussichtspunkten, die man sich
auf den Felsen erlaufen musste, wurden wir mit herrlichen Ausblicken auf die
Stadt, den Strand und die badenden Menschen im Wasser belohnt. Am Strand steht
dort auch leider völlig unpassend ein großer Hotelblock, der die ganze Bucht
dominiert. In der unnatürlich ruhigen, gewaltig großen Bucht fuhren zwei
Whalewatcher-Boote, die aber keinesfalls das Spektakel ihren Gästen bieten
konnten, wie wir es genossen hatten. Sie fuhren in großem Abstand einem ab und
an auftauchenden Wal hinterher. Das war für uns, den mit allen Wassern
gewaschenen Watchern, nur mit einem beiläufigen Schulterzucken abzutun. Wir wandten
uns lieber neuen Abenteuern zu.
Und so wechselten wir das Flussufer und
fuhren hoch zum Robberg Nature Reserve wenige Kilometer südlich von Plettenberg
gelegen. Das Eingangstor bewachte ein schlanker junger Schwarzer, der eine
perfekt geschnittene, eng anliegende schwarze Hose anhatte und schicke,
glänzende Anzugsschuhe. Dazu ein weißer Pulli vom Reservat und komplettiert
wurde das elegante Outfit aber mit einer Wollmütze, die schon einige Winter
gesehen hatte. Jedenfalls war er sichtlich fröhlich und freute sich seiner
Erscheinung, die wir auch mit einigen Thumbs Up würdigten.
Wir nahmen dort eine Wanderung in Angriff,
die sich schnell als spektakulärer, aber gerölliger, steiler und schattenloser
Klippenkletterweg entpuppte. Während wir munter ausschritten, wurde unsere
kleine Generationengruppe des Öfteren von Trägern mit geschulterten Zementsäcken
überholt. Wir machten uns aber wenig Gedanken, abseits der flüchtigen
Erkenntnis, dass die auch mal ne Pause verdient hätten. Der Weg begann
zunehmend steiler und für Opa immer anstrengender zu werden und artete in eine regelrechte
Kletterei an den Klippen hoch über dem Meer aus. Nach 1,5 Stunden war dann
endlich auf allen Vieren ein Plateau mit Blick auf tief unten im Wasser
spielenden Robben erreicht. Eine dort angebrachte Karte offenbarte uns die
beeindruckende Wegleistung von ca. 3 km, womit gerade einmal die Hälfte der
Strecke geschafft war.
Kurz vor dem sandigen Abstieg zur
gegenüberliegenden Bucht, wo wir eine Abkürzung zurück nehmen wollten, wurde
uns von entgegenkommenden und sichtbar ausgelaugten,
dehydriert-(trockenobst)faltigen Wanderern eröffnet, dass der Weg geschlossen sei.
„Deswegen die Arbeiter, ich wusste es von Anfang an“, flüsterte uns unser wieder aufmüpfig
werdender innerer Schweinhund mit einigem Triumph zu. Also all das Elend
zurück.
Anschließend ging es gleich ins Auto, um in
Old Nicks Village, einem Künstlerdorf nahe der Stadt, einen wohlverdienten Mittagssnack
zu uns nehmen. Opa Horst aß ein Omelette mit Hühnchenleber, das er für
Eierkuchen hielt. Währenddessen ließen sich die einfältigen Kinder aufklären,
dass nicht nur ein Espresso nach dem Essen sehr wohl gefällige Wirkung
entfalten kann, sondern noch mehr ein kühler trockener Weißwein am Nachmittag
dem körperlichen Wohlbefinden zuträglich ist, und jeder, der das nicht
begriffe, im Übrigen selbst schuld sei.
Um diese Erkenntnis reicher und frisch
gestärkt, fuhren wir die 60 Km bis Storms River. Einem Hinweise der letzen
Herbergsmutter folgend, nahmen wir einen Umweg über das herrliche Nature Valley.
Der Wald wurde immer dichter und die schmale, steile und kurvige Straße, bohrte
sich immer tiefer in den Wald hinein, bis sich endlich eine Bucht vor uns öffnete.
Es zeigte sich ein anmutiges und friedliches Bild: Eine breite Flussmündung, gesäumt
von saftig grünen Ufern, versandete zwischen den bewaldeten Bergausläufen in
der Sanddüne, die an der Küste endete und von Meer aus zog die Gicht vom Wind
getrieben wie einen Schleier über den Strand. Nach beiden Seiten zog sich so
weit das Auge reichte, ein breiter Sandstrand, auf dem sich Angler und Wanderer mit Hunden tummelten und
vor dem Wind geschützt an den Hängen saßen die Familien beim Picknick, ein herrlicher
Geheimtipp.
Auf dem Rückweg durchfuhren wir eine
gesperrte Straße und begutachteten die Flutschäden mit morbidem Interesse,
bremsten gar für eine Horde Baboons (Wird ein Touri beim Füttern erwischt,
werden 50 Euro Strafe fällig) und fuhren bereits vor 18 Uhr in Storms River
Village ein, das 5 Km östlich des Storms River Mouth, außerhalb des Tsitsikamma
Parks gelegen ist. Ein kleines Dörfchen aus B&Bs und Hotels, in dessen
kleinem Supermarkt auch das Geld im Geldautomaten aus war. Da wir aber kein
enthemmtes Shoppen im Sinn hatten und unser Holzhaus im Wald, eingebettet
zwischen Farnen und Urwaldriesen, verhältnismäßig kühl wurde, zog es uns
alsbald unter die Bettdecken.
13.-14.10.2012
Koordinaten: -Tsitsikamma National Park, Jeffreys Bay-
Am nächsten Morgen frühstückten wir in einer
netten Hotelanlage auf der sonnigen Veranda, in der es eine Vielzahl an
deutschen Gästen gab, deren Herkunft an den blondierten 80er Jahre Mähnen der
jungen Damen und ihren stimmlichen Klangfarbe eindeutig auf die neuen
Bundesländer bestimmt werden konnte. Da wir uns also nicht zu benehmen
brauchten, haben wir nur zweimal das Buffet bestellt und Katja das übrige Essen
mitgebracht. Ach ja, und dann kullerten noch in zauberhafter Weise fünf Muppets
(siehe Lingua Opa) ins Hemd, das
entdeckten wir erst, nachdem wir gegangen waren.
Das Großereignis, das die sonst ruhige Gegend
mit kolenhydratgierigen Ausdauersportlern füllte, war der Otter Trail. Ein Lauf
über die Marathondistanz mit Kletterpartien und Schwimmpassgen und sicherlich
luftraubenden 2000 Höhenmetern. Der Sieger kam dann blutend von Stürzen aber
sichtlich munter nach 4:20h ins Ziel. Die Zeit ist, gelinde gesagt, absolut
krank! Die ersten 3 Läufer haben wir beklatscht, dann kam von Katja (Ein Hoch
auf die Smartphones) die Hiobsbotschaft, dass die nächsten Tage nur Regen
bringen würden und das Schlamassel bereits jetzt seinen Lauf nehmen sollte.
Also nahmen wir unsere Wanderung über die
Hängebrücken des Storms River Mouth in Angriff. Ein Boardwalk mit vielen
Treppen und Unmengen riesiger Callas an den Hängen. Über die Brücken gingen wir
noch gemeinsam, doch auf den Lookout weit oben über dem Meer kletterten Katja
und Gerry allein. Wieder unten angekommen und beim Kaffee vereint, begann auch
sogleich der Regen.
100 km weiter östlich erreichten wir am
frühen Nachmittag die legendäre Surferstadt Jeffreys Bay. Wir bezogen eine
schöne Unterkunft mit eigenem Strandzugang, wunderbarem Aufenthaltsraum mit
Meerblick und ausgesprochen netten Besitzern.
Einschub: Bevor die Geschichte weitergeht,
müssen ein paar Zeilen darüber verloren werden, dass Gerry sich jeden Morgen genötigt
sah, dem beeindruckenden Mahl seiner Gefährten Folge zu leisten. So auch in
Jeffreys Bay. Zu den üblichen Bestandteilen eines gelungenen Frühstücks, kam
hier eine Wurst- und Käseplatte und Pancakes mit Ahornsirup dazu. Opa Horst
verspeiste geschäftig 5 Toast und Müsli und Katja ist ja für ihre Ausdauer
diesbezüglich ebenso bekannt. Hätte der gebeutelte Autor nun nicht sein bestes
am Tische gegeben, hätte ihn ja viel früher der Hunger im Laufe des Tages
ereilt, als die beiden. Abends musste er auch wechselseitig einspringen, wenn
einer der beiden noch ein Appetitchen auf ein Nachtischchen verspürte, aber
nicht allein genießen wollte.
Den Vormittag verbrachten wir am Strand und
durchforsteten emsig die Gezeitenpools nach den Lebewesen, über die wir in De
Hoop so viel gelernt hatten. Wir fanden zwar keine intakten Austern oder
Abalonen, aber zumindest ihre Schalen und viele Seestern und Muscheln aller
Couleur. Den Mittagssnack nahmen wir am besten Surfspot der Stadt zu uns und
begutachteten fachmännisch die Fähigkeiten der Wellenreiter. Der
Vollständigkeit halber muss erwähnt werden, dass auf dem Rückweg Opa Horst ein
wenig der jungendliche Übermut ereilte, denn er geriet in die Fluten.
Vom Abendessen bleibt noch zu erwähnen, dass
Katja mit dem Rücken zu einem Fernseher mit Rugby-Übertragung saß, das ihre
männlichen Reisebegleiter in den Bann zog. Sie soll das Essen nicht mit
Begeisterung in Erinnerung behalten haben. Die Kommentare jedoch glichen sich
denen über die Wale: „Mann, ist das ein Oschi!“, „Was für ein Vieh, Junge Junge!“, „Oooh, das
ist aber ein gehöriger Brummer!“
Abends wurde noch ein Phase 10-Spiel beendet.
Gerry wusste geschickt, den Konflikt der Gegner auszunutzen und gewann, während
sich diese im Spannungsfeld zwischen gewissenloser Regelauslegung und
Spielethik befanden.
15.-17.10.2012
Koordinaten: -Addo-
Das Wetter im Addo-Elephant-Park im Sundays
River Valley, 70 Km nordöstlich von Port Elizabeth, zeigte sich der Vorhersage
entsprechend von seiner schlechtesten Seite. Im regnerischen Halbgrau wirkten
die paar Häuser vor den Toren des Parks noch unwirtlicher und wir fuhren trotz
Regen noch in den Park hinein und wurden auch bereits mit viel
Elefantenbewegung entlohnt. Der Park ist mit seinen 1.800 km² der drittgrößte
Südafrikas. Er wurde 1931 gegründet als die Farmer der Region die Elefanten-Population
bis auf 16 Tiere dezimiert hatten. Nun leben wieder mehr als 450 ihrer Art in
dem geschützten Gebiet, neben Löwen, Leoparden, Hyänen, Nashörnern, Büffeln und
verschiedenen Antilopen- und Zebraarten. Wenngleich auch die großen Jäger gering
an der Zahl sind und selten gesichtet werden, so ist das einzigartigste Tier
des Parks der allgegenwärtige, flugunfähige und riesige Kugeln aus
Elefantenkacke rollende Dung-Beetle.
Am nächsten Morgen klingelte der Wecker um 5
Uhr, denn wir hatten uns zu einem Morning Drive angemeldet. Das Wetter war mies.
Regen in Strömen und Wolken bis zum Boden. Das versprach aber die zweifelhafte
Gewissheit, dass im unwahrscheinlichen Falle einer Sichtung, das Tier sich immerhin
in greifbarer Nähe befand. Auf dem Jeep fand sich sogar noch ein Pärchen ein.
Unser Führer war ein netter, lustiger junger Schwarzer, den wir Calvin Klein, abgekürzt
CK, nennen sollten. Aber nicht verraten, bat er uns, sonst hätte er ja keine
Ruhe mehr. Hat viele Witze gemacht und munter erzählt. So z.B., dass Engländer wegen
des vielen Elefantendungs immer sagen würden, der Park sei „full of shit“. Für
Gerrys Verhältnisse waren wir also in den frühen Morgenstunden bereits beim
richtigen Humor angekommen.
Die Tour führte uns sehr nah an Elefanten heran
und dank der ein wenig Transparenz gewinnenden Wolkendecke waren auch die
Sichtverhältnisse mittlerweile besser. Ein junger Bulle spielte sein
Machtspielchen mit uns und räumte die Straße erst nach ausgiebigem Stop-and-Go-Spiel
mit mehrmals angetäuschtem Nachgeben. Vor uns kreuzte noch ein höchstens drei
Wochen altes Elefantenbaby auf seinen wackligen Beinen den Weg, was das frühe
Aufstehen gänzliche entschädigte. Ziemlich verfroren frühstückten wir um 9 Uhr
im Park und bewunderten in einem Birdhide die farbenprächtigen Bishopvögel und
bestiegen alsbald wieder unseren eigenen Safaribus.
Wir bewiesen einige Standhaftigkeit und
wurden ab 15 Uhr auch mit einem aufziehenden Himmel belohnt. Wir fuhren also an
diesem Tage geschlagene 12 Stunden durch den Park. Bis auf die großen
Fleischfresser, es sei beiläufig an die Botaniker erinnert, hatten sich uns
alle Tierarten gezeigt: Elefanten in vertraulicher Nähe in verschiedenen
Gruppengrößen, Büffelherden, Antilopen, große Schildkröten, Schakale,
Warzenschweine und es war uns sogar vergönnt, eines der seltenen Nashörner zu
sichten.
Der nächsten Morgen war bereits der Tag der
Rückreise. Wir durchfuhren den Park noch für 3 Stunden in südlicher Richtung,
um in Port Elizabeth den Flieger nach Kapstadt zu bekommen. An diesem Morgen
zeigte sich uns die Natur noch einmal in alle ihrer schrecklich-schönen Kraft.
Wir sahen einen großen Büffel, der offenbar von einer großen Wunde
niedergerungen worden war, an dem schon die Vögel bei lebendigem Leibe pickten.
Wir mussten zum Glück nicht mit ansehen, wie die Hyänen und Löwen ihn fanden.
Zu unserem Seelenheil erklärte Katja uns, dass die Vögel die Wunde reinigten
und ihm es dann sicherlich viel besser ginge. Opa sagte: „Ja, das behalten wir
mal im Kopf, das ist besser.“
Nach diesem tröstlichen Ende, sei erlaubt,
ein afrikanische Sprichwort zum Besten zu geben: „Und wäre das Huhn noch so
schlau, eines Tages kommt es doch in den Kochtopf.“ sala kukuhle, wie die
Xhosa sagen. In diesem Sinne heißt es: Auf Wiedersehen, Afrika!
P.S. Das nächtliche Protokoll verrät: Opa
schnarcht nicht! Ab und zu röchelt es allenfalls…