Mittwoch, 9. Januar 2013

Wieder unterwegs... diesmal: Gardenroute à la Grandpa- auf Du und Du mit Seefuß, Nischelhorn & Co


Prolog

Eine Halle im Halbdunkeln, dämmrige Neonröhren und Abgrenzungsbänder weisen dem schleichenden Zug gebeugter, müder Economy-Menschen den Weg zur Abfertigung. Aus den Lautsprechern tönt blechern und abgehakt Boney M. „Daddy cool“. Ein großer Mann mit dunkler Sonnenbrille und weißen Haaren betritt die Halle, zügig und aufrecht. Viel zu tun, spricht aus seiner Haltung. Außerdem durchweicht das warme Karamell spürbar die Serviette in der Hosentasche, in der das Stück Businesslounge-Kuchen für die Enkelin eingewickelt ist. Donnerstag, 04.10.2012, früh morgens, Cape-Town International Airport: Gust, Horst Gust, betritt die Temperaturkontrolle, senkt die Sonnenbrille und blickt in die Infrarotkamera. Auf dem Display erscheint seine Silhouette im bläulichen Schein des sonst rotleuchtenden Wärmebildes. Die Köpertemperatur eines Kaltblüters, die Sicherheitsleute zögern, mustern, murmeln, wundern, winken durch. Geschafft! Afrika.

So oder ähnlich trug es sich zu. 80 Jahre, wer wird das schon? Und wenn ja, in welchem Zustand? War es nun an der Zeit, sich aufs Altenteil zurückzuziehen…?

Nach gründlicher Introspektion des eigenen Selbst fiel die Diagnose überraschend gut aus. Also doch kein Ende? Doch wieder Skiurlaube, Revival of the Klammerei? Doch nicht zu welk? Außerdem der Maya-Kalender! Auch wenn man nicht dran glaubt, steht er doch als sinnbildliche Mahnung zum ausgeschöpften Verbringen der eigenen Zeit. Im Grunde ist es doch so: Safari bleibt Safari, ob Stadtforst, Großstadtdschungel oder afrikanische Savanne. Das dachte sich auch der kürzlich gekrönte Jubilar.

Dem demographischen Wandel geschuldet existieren Anbieter von Seniorenreisen. Statt dem Messgerät im Gepäck, sitzt dort der eigene Kardiologe im 4x4 Offroader neben einem und jauchzt über die wilde Fahrt, nur um den Patienten im gleichen Atemzug zu autogenen Entspannungsübungen zu ermutigen- fürs Herz. Betreutes Seniorenreisen? Das verheißt fußlahme, gichtgeplagte, vergessliche und verbitterte Rentner um einen herum, nein, da reicht es doch, wenn man selbst der Älteste ist, Toleranz hat auch im Alter sein Grenzen. Dafür doch wahrlich zu jung.

Mit 80 Jahren also durch den Dschungel wandern? Trotz Arthrose Wüsten durchqueren? Für die „Best-Ager“ heutzutage kein Problem.
  
05.10.2012
 Koordinaten: -Kapstadt-Simon‘s Town-Kalk Bay-Muizenberg-Kapstadt-

Die drittgrößte Stadt Südafrikas, 3,5 Mio. Einwohner und Sitz des Parlaments in der Tafelbucht des Atlantiks gelegen und als erste Stadtgründung der Kolonialzeit oftmals liebevoll als Moederstad bezeichnet. Berühmt ist Kapstadt vor allem durch sein Wahrzeichen, den Tafelberg, dessen plateauförmige Oberfläche zusammen mit Signal Hill, Lion’s Head und Devil’s Peak die Skyline der Stadt dominiert.

Die Reise beginnt mit einem ausgiebigen Frühstück im Hotel, oder wie man ein Essen mit den Komponenten Müsli, Crêpes, Rührei mit Bratwurst und Kartoffeln kategorisiert. Auf den Zeigerschlag genau war die soeben eröffnete Tafel von hungrigen Gestalten umkreist und uns beschlich bereits die leise Ahnung, unter Landsleuten zu sein. Denn welches Volk ist sonst so penibel korrekt, um sein schließlich teuer bezahltes Mahl der angekündigten Uhrzeit gemäß in möglichst großer Menge einzunehmen. Und so war es dann auch. Nachdem wir gesättigt und durch baden-württembergische Ausführungen zum momentanen Stand der Kultur im Land gestärkt waren, fuhren wir zum Tafelberg.  Das anfangs trübe und kühle Wetter war schließlich freundlicherem gewichen, was leider auch den übrigen Ausflüglern nicht verborgen geblieben war. Außerdem zahlen Rentner und Studenten freitags nur die Hälfte. Bereits am Fuße der Straße zur Bahnstation standen wir im Stau. Der erfahrene Opa setzte sich fürs frühzeitige Umkehren ein, die tatendurstigen Greenhorns hingegen, in der Mehrzahl, überstimmten vorerst. Doch im Angesicht des chinesischen Exodus auf den Berg, insistierte der Opa erneut, diesmal erfolgreich. „Ja, sagten die Kinder, recht haste!“

Wir fuhren also im Sonnenschein wieder davon über die dramatischen Küstenstraßenkilometer des Chapman‘s Peak Drive nach Simon’s Town, dem wichtigsten Stützpunkt der South African Navy, deren Schlachtschiffe im Hafen mit den im viktorianischen Stil erbauten Häusern der britischen Kolonialmacht eine wunderbare Kulisse formen. Doch die eigentliche Attraktion der kleinen Stadt an der False Bay ist unumstritten die Kolonie der Brillenpinguine. Nach der ersten ausgiebigen Fotosafari stärkten wir uns im Hafen mit Apple Crumble mit Vanilleeis und Calamari `n Chips und waren in Südafrika angekommen.

Der Rückweg nach Kapstadt führte uns durch die Kalk Bay mit ihren Kunsthandwerk-Läden und Muizenberg mit den bunten Strandhäuschen und Surfern. Den Sonnenuntergang genossen wir auf dem Signal Hill mit Blick auf Kapstadt in romantischer Atmosphäre inmitten eines riesigen Filmteams für einen Apple-Werbespot und einem geruchsintensiven fahrbaren Donnerbalken.

Der beständige Wind Kapstadts brachte kühle Abendluft und ließ uns in ein Restaurant einkehren. Wir aßen mit aller rechtschaffenen Intensivität und verteilten bei der gegenseitigen Fütterung mit kulinarischer Hochherzigkeit Sushi, kapmalaiisches Meeresfrüchtecurry und Thunfisch in Sesamkruste über den Tisch. Nachdem auch die Gläser munter umgestoßen wurden, waren wir uns der Herzen der Kellner gewiss und bekamen einen Nachtisch, dessen Größe und Dichte selbst Reinhold Messner noch beeindruckt hätte.
  
06.10.2012
 Koordinaten: -Tafelberg, Busrundfahrt, Camps Bay-

Ohne Frühstück standen wir um 07:30 Uhr am, was das Wetter angeht, divenhaft launigen Tafelberg, und fuhren in der ersten Gondel nach oben. Erwähnenswert bei dieser ist, dass der Boden rotiert, was zu kuriosen Turnübungen führt, wenn sich Menschen krampfhaft am Geländer festkrallen, um ihren mühsam ergatterten Platz zu behaupten oder einfach nur aus blanker Panik die Hände nicht lösen wollen.
Der höchste Punkt des Tafelberges ist am nordöstlichen Ende des Felsplateaus mit 1087 m. Die Gesamtfläche beträgt rund 6500 Hektar, zum Vergleich: der Spandauer Forst hingegen 1347. Oben angekommen gab es Frühstück für Bergsteiger mit Würstchen und Bolognese inklusive gefiedertem Wildflug im Lokal (Grüße an Steffi). Bemessen wurde der Preis am Gewicht der Portion, Tagessieger war Gerry. Er hatte aber ja auch die Servietten und die Butter für die anderen auf seinem Tablett…
Es folgte eine ausgedehnte Wanderung über den Berg, die uns an machen steilen Passagen auch zum Klettern zwang. An dieser Stelle muss einmal gesagt sein, dass der Verfasser dieser Zeilen ab und an von dem Gefühl übermannt wurde, mit zwei unverbesserlichen Botanikern auf Reisen zu sein. Selbst die Drohung griff nicht, dass eventuell anwesende großkatzige Carnivoren von diesem vegetarischen Verhalten, ihrem bekanntlich stolzen Naturell entsprechend, beleidigt sein mochten und sich verpieseln würden, was den Wunsch einer Sichtung unmöglich machen würde. Oder waren das nur Strategien zur unauffälligen Erholung, die Verschnaufpausen als Fotostop zu kaschieren? Großzügig blühenden Blumen (in der Kapregion besonders der Fynbos) gab es jedenfalls in Hülle und Fülle. Außerdem sieht der Autor auch ein, dass sich unbewegliche Ziele vergleichsweise leichter fotografisch dokumentieren lassen. Ein Anbieter fürs Abseilen an den Klippen bot Opa Horst angesichts seines Alters sogar den halben Preis an. Nachdem wir jedoch dieses Angebot ausgeschlagen mussten, nur aus Zeitgründen versteht sich, waren wir schon um 10:30 Uhr an der Talstation im Bus für die Stadtrundfahrt. Um diese Uhrzeit hatten wir am vergangenen Tag noch nichts gemacht- außer schlechte Erfahrungen.

Nach einem Besuch der vom fröhlichen Treiben von Darstellern, Tänzern und Musikern geprägten Victoria und Alfred Waterfront, wären wir doch um Haaresbreite in die falsche Buslinie gestiegen, hätte nicht einer aufgepasst: „Ja, sagten die Kinder, recht haste!“ Mit dem Bus durchfuhren wir die reichen Vororte in den umliegenden Buchten Kapstadts, durchkreuzten die Innenstadt und sahen das berühmte Viertel „District Six“, das ein bedrückendes Mahnmal der gewaltsamen Zwangsumsiedlung innerhalb Kapstadts ist und legten am oasengleichen Company Garden noch einen Kaffee- und Kuchenstop ein.

Das Abendessen führte uns nach Camps Bay, wo wir die letzten Sonnenstrahlen am Strand genossen, und danach den Tag mit einer prächtigen Seefuß-Platte gebührend verabschiedeten. Danach folgte das allabendliche Ritual im zunehmenden Dämmerzustand prä-noctem: Bilder überspielen und gemeinsames Rekapitulieren und um 21 Uhr hieß es bereits: Nachtruhe.

07.10.2012
 Koordinaten: - Duiker Island, Kap der Guten Hoffnung-

Es regnete und war windig. Nach kurzer Anfahrt, gingen wir um 10 Uhr an Bord eines Kahns, der uns zur Robbenkolonie vor die Küste bringen sollte. Wir fühlten uns wie auf einem Flüchtlingsboot inmitten von Asiaten. Der kräftige Wellengang und das beständige Rollen des Schiffes zermürbte einen von ihnen derart, dass er eine Plastiktüte bis zum Bersten wiederkäute. Er wurde von diesem Augenblick an zu all seinem Unglück auch noch von seinen chinesischen Freunden mit angewiderten Blicken gemieden, so was macht man ja auch nicht vor anderen Leuten, ist ja eklig.
Nachdem wir beinahe ein mannshohes Bild für das Gustsche Wohnzimmer gekauft hätten, kamen wir am sonnenbeschienen Kap der Guten Hoffnung an. Die mindestens 23 Wracks unterhalb der Felsenzunge dokumentieren in aller Deutlichkeit, weshalb es früher wegen seiner Winde und Felsen berüchtigt war und Bartolomeo Diaz es nicht zu Unrecht bei der Erstumsegelung 1488 Cabo das Tormentas (Kap der Stürme) nannte. Opa Horst bemerkte mit spitzer Zunge, dass beinahe alle Flaggen dort wehten, nur die Deutsche nicht. Ein anderer Deutscher wurde derweilen Opfer der Fütterungswut weiterer Deutscher, denn ein Vogel biß ihm sein Sandwich aus der Hand. Die Schimpfwörter klingen uns immer noch in den Ohren und vielleicht gibt es ja wirklich so was wie Vogeltripper, worüber er mutmaßte, während er dem Vogel den Mittelfinger wild entgegenschüttelte. Wir bestaunten und erwanderten das Kap und fuhren noch durch den blühenden Nationalpark, der es großzügig umgibt. Bestimmt wird dieser durch die vielseitige Fynbos-Vegetation und die weiten Ebenen durchstreifen Strauße, Kap-Antilopen und Paviane, samt Unmengen an Vögeln. Nach den Besichtigungen des Tages beschlossen wir, da wir nebst Wild auch den ersten Wal erspäht hatten, diesen entsprechend mit Surf `n Turf ausklingen zu lassen.
08-09.10.2012
 Koordinaten: - Kapstadt, Stellenbosch, Franschhoek, Hermanus -

Nach der Besichtigung zweier von mehr als 120 Weingüter und einer geführten Weintour mit Verköstigung, statteten wir Stellenbosch, der wohlhabenden Weinhauptstadt Südafrikas, einen Besuch ab. In der Stadt ist die Wirtschaftskraft deutlich spürbar und das Äußere durch die architektonischen Relikte der niederländischen Ostindienkompanie bestimmt, die ab Mitte des 17. Jahrhunderts die Kapregion zu besiedeln begann. Nach einer regnerischen Fahrt zurück zur Küste bezogen wir in Hermanus bei einem Deutschen Quartier.
Hermanus, 120 Km östlich von Kapstadt, wird zur Walsaison, wenn die südlichen Glattwale ihre Kälber in der geschützten Bucht großziehen, zu einem pulsierenden Ferienort. Da unsere Unterkunft an vorderster Front mit Meeresblick gelegen war, konnten wir den Walen beim Springen aus den Sesseln zusehen. Das ersparte uns vorerst den strömenden Regen und begleitete die Kaffeepause, die immer wieder von Ausbrüchen in der Art: „Mensch, was ein Oschi“, „BOAH! SO groß war wirklich noch keiner, hoho“ untermalt wurde. Katja rief ab und an dazwischen: „Oh, schaut mal, wie süß.“ Nun ja, manche geschlechterspezifischen Vorurteile bewahrheiten sich dann eben doch.
Zum Spätnachmittag hin trieb es uns dennoch hinaus in den Regen, um den Walen näher zu kommen. Die Bootstour für den nächsten Morgen verschoben wir jedoch angesichts der Wetteraussichten. Der kommende Tag brachte auch keine Wetterveränderung. Wir trotzen dennoch am Vormittag dem Regen und wurden auch durch die aktiven Wale belohnt und hatten sogar das Glück, ein Albino-Kalb zu sehen. Den Mittag verbrachten wir vor unserem Panoramafenster und spielten eine Runde Phase 10, die erstaunlich souverän vom Autor gewonnen wurde.
 10.-11.10.2012
 Koordinaten: - Hermanus, De Hoop Nature Reserve, Knysna -

Um 06:00 ging die Sonne an einem wolkenlosen Himmel auf, das Verschieben der Bootstour hatte sich gelohnt. Die See war außergewöhnlich glatt und ruhig und die Wale kamen uns unglaublich nah. Ein fantastisches Erlebnis samt zusätzlicher Delphin-Herde und Riesenqualle.
Die Bootstour war um 11:00 beendet und wir fuhren in das De Hoop Nature Reserve. Zebras, Strauße, Antilopen, Affen und eine riesige weiße Sanddüne direkt am Meer. Dort tummelten sich auch noch Wale vor der Küste und wir spazierten auf den verlassenen Sandwehen herum. Für den Nachmittag buchten wir eine hervorragend geführte Marine-Tour durch die Gezeitenpools am Strand, die uns alle drei, trotz fortgeschrittener Kälte, Müdigkeit und Hunger, in ihren Bann zog. Der junge, schwarze Ranger war ein mitreißender Redner und er fischte uns einen tellergroßen Seestern nach dem anderen heraus, gefolgt von allem möglichen und unmöglichen Lebewesen (wie z.B. spuckende Anemonen) aus den Löchern im Riff- nur ein Oktopus ließ ihn mit gesträubten Nackenhaaren und überschlagender Stimme die Beine in die Hand nehmen. Die Nachtruhe in unserem idyllisch gelegenen weißen Haus hoch über dem Meer mit Blick auf die Düne, wurde nur durch die über das Dach hetzenden Paviane gestört.
Vom Abendessen erwähnenswert: Wir bekamen nicht die üblichen Bonbons mit der Rechnung, was für uns tatsächlich ein mittelschwerer Schock war und uns gegenüber saß ein jungfrauliches Abenteurerpärchen auf Hochzeitsreise, wie die Spuren im Sand uns bereits verraten hatten.  Der Mann nötigte Gerry einige Selbstbeherrschung ab, denn er aß wie eine Kopie des TV-Gastrokritikers Heinz Hormann. Er begutachtete sein Steak, nickte zufrieden, forschte weiter, wendete, schob und säbelte und kaute, wie es Loriot nicht hätte besser zeichnen können.

Apropos Essen: Da wir uns am nächsten Morgen selbst versorgen mussten, gab es zum Frühstück Sandwiches. Das kam bei Opa nicht gut an. Salat zwischen Brotscheiben schienen keinen sinnvollen Zusammenhang zu bilden. Es war im Übrigen bitterkalt und da wir eh die längste Fahrt der Reise vor uns hatten, verweilten wir nicht unnötig lange. Die ersten Kilometer mussten wir über Schotterpisten durch die Kornkammer des Westkaps fahren und auch einen Fluss mit handgezogener Autofähre überqueren. Nach quälend langer Zeit erreichten wir schließlich die Autobahn.

Nächster Halt war Knysna, die Hauptstadt der Garden Route, die an einer Lagune liegt, die nur durch eine schmale, felsige Einfahrt mit dem Indischen Ozean verbunden ist. Bekannt ist die Stadt auch durch die Austernzucht und das blamable Scheitern der französischen Nationalmannschaft von 2010, le fiasco de Knysna.

Nach einer Lagunenrundfahrt auf einem Dampfer aßen wir bei Ocean Basket zu Abend. Nachdem wir mal wieder eine großzügige Portion niedergerungen hatten, begann der forsche Kellner erneut den Tisch vorzubereiten und brachte uns die Vorspeisenbrote und Dips, woraufhin wir im Chor stöhnten: „NO! Please not again!“


12.10.2012
 Koordinaten: -Knysna, Plettenberg Bay, Nicks Village, Nature Valley, Storms River-

Nach dem Frühstück erreichten wir nach einer halben Stunde Fahrt Plettenberg Bay, das 600 Km von Kapstadt entfernt, malerisch an der Mündung des Keurboom's River gelegen ist.

Auf mehreren Aussichtspunkten, die man sich auf den Felsen erlaufen musste, wurden wir mit herrlichen Ausblicken auf die Stadt, den Strand und die badenden Menschen im Wasser belohnt. Am Strand steht dort auch leider völlig unpassend ein großer Hotelblock, der die ganze Bucht dominiert. In der unnatürlich ruhigen, gewaltig großen Bucht fuhren zwei Whalewatcher-Boote, die aber keinesfalls das Spektakel ihren Gästen bieten konnten, wie wir es genossen hatten. Sie fuhren in großem Abstand einem ab und an auftauchenden Wal hinterher. Das war für uns, den mit allen Wassern gewaschenen Watchern, nur mit einem beiläufigen Schulterzucken abzutun. Wir wandten uns lieber neuen Abenteuern zu.

Und so wechselten wir das Flussufer und fuhren hoch zum Robberg Nature Reserve wenige Kilometer südlich von Plettenberg gelegen. Das Eingangstor bewachte ein schlanker junger Schwarzer, der eine perfekt geschnittene, eng anliegende schwarze Hose anhatte und schicke, glänzende Anzugsschuhe. Dazu ein weißer Pulli vom Reservat und komplettiert wurde das elegante Outfit aber mit einer Wollmütze, die schon einige Winter gesehen hatte. Jedenfalls war er sichtlich fröhlich und freute sich seiner Erscheinung, die wir auch mit einigen Thumbs Up würdigten.

Wir nahmen dort eine Wanderung in Angriff, die sich schnell als spektakulärer, aber gerölliger, steiler und schattenloser Klippenkletterweg entpuppte. Während wir munter ausschritten, wurde unsere kleine Generationengruppe des Öfteren von Trägern mit geschulterten Zementsäcken überholt. Wir machten uns aber wenig Gedanken, abseits der flüchtigen Erkenntnis, dass die auch mal ne Pause verdient hätten. Der Weg begann zunehmend steiler und für Opa immer anstrengender zu werden und artete in eine regelrechte Kletterei an den Klippen hoch über dem Meer aus. Nach 1,5 Stunden war dann endlich auf allen Vieren ein Plateau mit Blick auf tief unten im Wasser spielenden Robben erreicht. Eine dort angebrachte Karte offenbarte uns die beeindruckende Wegleistung von ca. 3 km, womit gerade einmal die Hälfte der Strecke geschafft war.

Kurz vor dem sandigen Abstieg zur gegenüberliegenden Bucht, wo wir eine Abkürzung zurück nehmen wollten, wurde uns von entgegenkommenden und sichtbar ausgelaugten, dehydriert-(trockenobst)faltigen Wanderern eröffnet, dass der Weg geschlossen sei. „Deswegen die Arbeiter, ich wusste es von Anfang  an“, flüsterte uns unser wieder aufmüpfig werdender innerer Schweinhund mit einigem Triumph zu. Also all das Elend zurück.

Anschließend ging es gleich ins Auto, um in Old Nicks Village, einem Künstlerdorf nahe der Stadt, einen wohlverdienten Mittagssnack zu uns nehmen. Opa Horst aß ein Omelette mit Hühnchenleber, das er für Eierkuchen hielt. Währenddessen ließen sich die einfältigen Kinder aufklären, dass nicht nur ein Espresso nach dem Essen sehr wohl gefällige Wirkung entfalten kann, sondern noch mehr ein kühler trockener Weißwein am Nachmittag dem körperlichen Wohlbefinden zuträglich ist, und jeder, der das nicht begriffe, im Übrigen selbst schuld sei.

Um diese Erkenntnis reicher und frisch gestärkt, fuhren wir die 60 Km bis Storms River. Einem Hinweise der letzen Herbergsmutter folgend, nahmen wir einen Umweg über das herrliche Nature Valley. Der Wald wurde immer dichter und die schmale, steile und kurvige Straße, bohrte sich immer tiefer in den Wald hinein, bis sich endlich eine Bucht vor uns öffnete. Es zeigte sich ein anmutiges und friedliches Bild: Eine breite Flussmündung, gesäumt von saftig grünen Ufern, versandete zwischen den bewaldeten Bergausläufen in der Sanddüne, die an der Küste endete und von Meer aus zog die Gicht vom Wind getrieben wie einen Schleier über den Strand. Nach beiden Seiten zog sich so weit das Auge reichte, ein breiter Sandstrand, auf dem sich  Angler und Wanderer mit Hunden tummelten und vor dem Wind geschützt an den Hängen saßen die Familien beim Picknick, ein herrlicher Geheimtipp.

Auf dem Rückweg durchfuhren wir eine gesperrte Straße und begutachteten die Flutschäden mit morbidem Interesse, bremsten gar für eine Horde Baboons (Wird ein Touri beim Füttern erwischt, werden 50 Euro Strafe fällig) und fuhren bereits vor 18 Uhr in Storms River Village ein, das 5 Km östlich des Storms River Mouth, außerhalb des Tsitsikamma Parks gelegen ist. Ein kleines Dörfchen aus B&Bs und Hotels, in dessen kleinem Supermarkt auch das Geld im Geldautomaten aus war. Da wir aber kein enthemmtes Shoppen im Sinn hatten und unser Holzhaus im Wald, eingebettet zwischen Farnen und Urwaldriesen, verhältnismäßig kühl wurde, zog es uns alsbald unter die Bettdecken.

13.-14.10.2012
 Koordinaten: -Tsitsikamma National Park, Jeffreys Bay-

Am nächsten Morgen frühstückten wir in einer netten Hotelanlage auf der sonnigen Veranda, in der es eine Vielzahl an deutschen Gästen gab, deren Herkunft an den blondierten 80er Jahre Mähnen der jungen Damen und ihren stimmlichen Klangfarbe eindeutig auf die neuen Bundesländer bestimmt werden konnte. Da wir uns also nicht zu benehmen brauchten, haben wir nur zweimal das Buffet bestellt und Katja das übrige Essen mitgebracht. Ach ja, und dann kullerten noch in zauberhafter Weise fünf Muppets (siehe Lingua Opa) ins Hemd, das entdeckten wir erst, nachdem wir gegangen waren.

Das Großereignis, das die sonst ruhige Gegend mit kolenhydratgierigen Ausdauersportlern füllte, war der Otter Trail. Ein Lauf über die Marathondistanz mit Kletterpartien und Schwimmpassgen und sicherlich luftraubenden 2000 Höhenmetern. Der Sieger kam dann blutend von Stürzen aber sichtlich munter nach 4:20h ins Ziel. Die Zeit ist, gelinde gesagt, absolut krank! Die ersten 3 Läufer haben wir beklatscht, dann kam von Katja (Ein Hoch auf die Smartphones) die Hiobsbotschaft, dass die nächsten Tage nur Regen bringen würden und das Schlamassel bereits jetzt seinen Lauf nehmen sollte.

Also nahmen wir unsere Wanderung über die Hängebrücken des Storms River Mouth in Angriff. Ein Boardwalk mit vielen Treppen und Unmengen riesiger Callas an den Hängen. Über die Brücken gingen wir noch gemeinsam, doch auf den Lookout weit oben über dem Meer kletterten Katja und Gerry allein. Wieder unten angekommen und beim Kaffee vereint, begann auch sogleich der Regen.

100 km weiter östlich erreichten wir am frühen Nachmittag die legendäre Surferstadt Jeffreys Bay. Wir bezogen eine schöne Unterkunft mit eigenem Strandzugang, wunderbarem Aufenthaltsraum mit Meerblick und ausgesprochen netten Besitzern.

Einschub: Bevor die Geschichte weitergeht, müssen ein paar Zeilen darüber verloren werden, dass Gerry sich jeden Morgen genötigt sah, dem beeindruckenden Mahl seiner Gefährten Folge zu leisten. So auch in Jeffreys Bay. Zu den üblichen Bestandteilen eines gelungenen Frühstücks, kam hier eine Wurst- und Käseplatte und Pancakes mit Ahornsirup dazu. Opa Horst verspeiste geschäftig 5 Toast und Müsli und Katja ist ja für ihre Ausdauer diesbezüglich ebenso bekannt. Hätte der gebeutelte Autor nun nicht sein bestes am Tische gegeben, hätte ihn ja viel früher der Hunger im Laufe des Tages ereilt, als die beiden. Abends musste er auch wechselseitig einspringen, wenn einer der beiden noch ein Appetitchen auf ein Nachtischchen verspürte, aber nicht allein genießen wollte.

Den Vormittag verbrachten wir am Strand und durchforsteten emsig die Gezeitenpools nach den Lebewesen, über die wir in De Hoop so viel gelernt hatten. Wir fanden zwar keine intakten Austern oder Abalonen, aber zumindest ihre Schalen und viele Seestern und Muscheln aller Couleur. Den Mittagssnack nahmen wir am besten Surfspot der Stadt zu uns und begutachteten fachmännisch die Fähigkeiten der Wellenreiter. Der Vollständigkeit halber muss erwähnt werden, dass auf dem Rückweg Opa Horst ein wenig der jungendliche Übermut ereilte, denn er geriet in die Fluten.

Vom Abendessen bleibt noch zu erwähnen, dass Katja mit dem Rücken zu einem Fernseher mit Rugby-Übertragung saß, das ihre männlichen Reisebegleiter in den Bann zog. Sie soll das Essen nicht mit Begeisterung in Erinnerung behalten haben. Die Kommentare jedoch glichen sich denen über die Wale: „Mann, ist das ein Oschi!“,  „Was für ein Vieh, Junge Junge!“, „Oooh, das ist aber ein gehöriger Brummer!“

Abends wurde noch ein Phase 10-Spiel beendet. Gerry wusste geschickt, den Konflikt der Gegner auszunutzen und gewann, während sich diese im Spannungsfeld zwischen gewissenloser Regelauslegung und Spielethik befanden.

15.-17.10.2012
 Koordinaten: -Addo-

Das Wetter im Addo-Elephant-Park im Sundays River Valley, 70 Km nordöstlich von Port Elizabeth, zeigte sich der Vorhersage entsprechend von seiner schlechtesten Seite. Im regnerischen Halbgrau wirkten die paar Häuser vor den Toren des Parks noch unwirtlicher und wir fuhren trotz Regen noch in den Park hinein und wurden auch bereits mit viel Elefantenbewegung entlohnt. Der Park ist mit seinen 1.800 km² der drittgrößte Südafrikas. Er wurde 1931 gegründet als die Farmer der Region die Elefanten-Population bis auf 16 Tiere dezimiert hatten. Nun leben wieder mehr als 450 ihrer Art in dem geschützten Gebiet, neben Löwen, Leoparden, Hyänen, Nashörnern, Büffeln und verschiedenen Antilopen- und Zebraarten. Wenngleich auch die großen Jäger gering an der Zahl sind und selten gesichtet werden, so ist das einzigartigste Tier des Parks der allgegenwärtige, flugunfähige und riesige Kugeln aus Elefantenkacke rollende Dung-Beetle.

Am nächsten Morgen klingelte der Wecker um 5 Uhr, denn wir hatten uns zu einem Morning Drive angemeldet. Das Wetter war mies. Regen in Strömen und Wolken bis zum Boden. Das versprach aber die zweifelhafte Gewissheit, dass im unwahrscheinlichen Falle einer Sichtung, das Tier sich immerhin in greifbarer Nähe befand. Auf dem Jeep fand sich sogar noch ein Pärchen ein. Unser Führer war ein netter, lustiger junger Schwarzer, den wir Calvin Klein, abgekürzt CK, nennen sollten. Aber nicht verraten, bat er uns, sonst hätte er ja keine Ruhe mehr. Hat viele Witze gemacht und munter erzählt. So z.B., dass Engländer wegen des vielen Elefantendungs immer sagen würden, der Park sei „full of shit“. Für Gerrys Verhältnisse waren wir also in den frühen Morgenstunden bereits beim richtigen Humor angekommen.

Die Tour führte uns sehr nah an Elefanten heran und dank der ein wenig Transparenz gewinnenden Wolkendecke waren auch die Sichtverhältnisse mittlerweile besser. Ein junger Bulle spielte sein Machtspielchen mit uns und räumte die Straße erst nach ausgiebigem Stop-and-Go-Spiel mit mehrmals angetäuschtem Nachgeben. Vor uns kreuzte noch ein höchstens drei Wochen altes Elefantenbaby auf seinen wackligen Beinen den Weg, was das frühe Aufstehen gänzliche entschädigte. Ziemlich verfroren frühstückten wir um 9 Uhr im Park und bewunderten in einem Birdhide die farbenprächtigen Bishopvögel und bestiegen alsbald wieder unseren eigenen Safaribus.
Wir bewiesen einige Standhaftigkeit und wurden ab 15 Uhr auch mit einem aufziehenden Himmel belohnt. Wir fuhren also an diesem Tage geschlagene 12 Stunden durch den Park. Bis auf die großen Fleischfresser, es sei beiläufig an die Botaniker erinnert, hatten sich uns alle Tierarten gezeigt: Elefanten in vertraulicher Nähe in verschiedenen Gruppengrößen, Büffelherden, Antilopen, große Schildkröten, Schakale, Warzenschweine und es war uns sogar vergönnt, eines der seltenen Nashörner zu sichten.

Der nächsten Morgen war bereits der Tag der Rückreise. Wir durchfuhren den Park noch für 3 Stunden in südlicher Richtung, um in Port Elizabeth den Flieger nach Kapstadt zu bekommen. An diesem Morgen zeigte sich uns die Natur noch einmal in alle ihrer schrecklich-schönen Kraft. Wir sahen einen großen Büffel, der offenbar von einer großen Wunde niedergerungen worden war, an dem schon die Vögel bei lebendigem Leibe pickten. Wir mussten zum Glück nicht mit ansehen, wie die Hyänen und Löwen ihn fanden. Zu unserem Seelenheil erklärte Katja uns, dass die Vögel die Wunde reinigten und ihm es dann sicherlich viel besser ginge. Opa sagte: „Ja, das behalten wir mal im Kopf, das ist besser.“

Nach diesem tröstlichen Ende, sei erlaubt, ein afrikanische Sprichwort zum Besten zu geben: „Und wäre das Huhn noch so schlau, eines Tages kommt es doch in den Kochtopf.“ sala kukuhle, wie die Xhosa sagen. In diesem Sinne heißt es: Auf Wiedersehen, Afrika!
P.S. Das nächtliche Protokoll verrät: Opa schnarcht nicht! Ab und zu röchelt es allenfalls…