Sonntag, 28. November 2010

Die Abenteuer von Geröll-Gerald und Kamikaze-Kati

Nach unserem letzten Bericht haben wir Pokhara verspätet den Rücken gekehrt. Wir sind mit einem Bus Richtung Kathmandu gefahren und haben in Bandipur, einem höher gelegenem Dörfchen mit noch erhaltenen alten Newar-Häusern und Gassen eine Nacht verbracht und abends das Lichterfest Divali erlebt. Das ist vergleichbar mit unserem importierten Kürbisspektakel, an dem lästige Horden von dicken Kindern an Türen klingeln- nur hier sind die so ausgefuchst, dass sie mehrmals kommen und immer andere kleine Mädchen vorschicken. Aber wenigstens tanzen und singen sie und die international gebräuchliche Mimik von „mir platzt gleich der Hals, Freundschen!“ verstehen sie dann auch kurz bevor einem die aufgerissenen Augen auf die Straße kullern. (Ja, ok: trotz aller fürchterlichen Entschlossenheit im Blick, die man auf Berliner Straßen meint gelernt zu haben, um nicht das 30. Abo der Berliner Zeitung anzunehmen oder Pate eines einäugigen Gorillas in Dänemark zu werden, sind wir offensichtlich nicht gebührend eindrucksvoll gewesen)

Zu den Fortbewegungsmitteln: Nachdem wir nun dachten, nicht mehr gezwungen zu sein, in wahnwitzigen Busfahrten um unser Leben zu fürchten, entschieden wir in unserem weltmännischen Großmut, es freiwillig aufs Spiel zu setzen. Im Reiseführer war eine spektakuläre Höhle aufgeführt mit 1,5h Marsch (Ich verwette meine letzte Unterhose, dass keiner der Autoren da war) Wir sind eine vermeintliche „Treppe“ hinunter gestolpert und die Höhle war auch eher als Mausoleum gedacht. Aber ihr wisst ja: Unkraut vergeht nicht. Katja hatte wohl Glück… Der Weg war steil, naß und glitschig auf zerbröckeltem Gestein. Es war schwül und dschungelmäßig bewachsen und am Berghang, d.h. linker Hand ging es nur abwärts, einziger Halt die körperlangen Netze der freundlichen Spinnen, die hier in beträchtlicher Anzahl herumhängen (ja, auch über dem Pfad, der Blick nach oben lohnt sich). Die Höhle selbst war wie bereits angedeutet noch nicht vollends „erschlossen“. Ich hatte das Gefühl, dass manche nur darauf warten, dass jemand mit Kopflampe in die Dunkelheit stürzt, damit sie vielleicht erkennen können, wo dort der Abgrund endet. Wir konnten dennoch unseren Forscherdrang in dieser Hinsicht glücklicherweise zügeln. Ihr werdet bei den hoffentlich bald folgenden Bildern ein bißchen erkennen können, wie es war, ohne Guide, adäquate Beleuchtung, Ahnung etc. an Seilen, Leitern oder einfach mit Händen und Füßen dort irgendwie voranzukommen- und auch zurück. Die Höhle war dennoch grandios! Auf der Rückfahrt haben wir dann wieder unverbesserlich den Einheimischenbus genommen und der wollte auch gleich an einer Stelle, an der ein Traktor stehengeblieben war und ein Jeep beim Vorbeifahren abrutschte, zeigen, dass er es besser beherrsche. Wir saßen mitten im offenen Jeep (innen ca. 25 Mann/ auf dem Dach ca. 20 -auch Säuglinge). Das Dach durfte vor dem Versuch geräumt werden, wir, der Innenraum- vom „Außen“ getrennt durch 2 Metallstreben und ein Blechdach- nicht. Ein Brite hob von draußen noch mit einem mitleidigem aber versucht aufmunterdem Grinsen den Daumen- Cheers mate. Zum Glück war die Reparatur des Traktors schneller! Aber es ging auch geruhsamer zu. Wir hatten bereits zweimal großmäulige Fahrrad-Rikschafahrer, denen ich schieben helfen mußte, weil er nicht mal Katja den Berg hochbekommen hat, geschweigen denn meine Gewichtigigkeit.

3 Fahrtstunden vor Kathmandu stoppten wir in einem Dörfchen, auf das wir uns sehr freuten, da hier immer große Schlacht-/Opferfeste stattfinden. Der Preis dafür war eine sehr teure Seilbahnfahrt mit einer natürlich Schweizer Bahn auf das Bergdorf hinauf. Jedenfalls war das Ende der Geschichte: Heute ist der einzige Samstag im Jahr, an dem das große Spektakel nicht stattfindet: Kein Blut, keine mit einem Hieb angeschlagenen Schafsköpfe, kein Aussuchen der Fleischstücke, die man nachher zum Essen haben will nur Kosten und Mühe. Nepal happens. Feiertage sollen ihnen ja auch gegönnt sein, fahren wir einfach runter und weiter nach Kathmandu. Bahn hat 3 Std. Mittagspause? Ok, dann fahren wir halt später oder morgen, kein Thema. Wie, Bahn fährt nur noch heute Nachmittag, dann 3 Tage nicht mehr? Na denn, runter und ab in den Bus. Wie, kein Bus? Kann doch nicht sein? Ah, Feiertag, hm…? Wir aus purer Verzweiflung dennoch runter und es kam noch ein Bus, aber Katja saß auf einem Platz für Kleinwüchsige in der letzten Reihe (ihr wißt, was das für Kopf, Knie und Schultern bei Steinen und Schlaglöchern bedeutet). Ich saß im Gang auf einem Bastschemel, bis jemand ausstieg. Dennoch sind wir angekommen und haben nach gefühlten 4000 Anfragen endlich für eine grandiose EINE Nacht vorerst ein Zimmer gefunden. Insgeheim hielten wir schon nach einem Stall und den 3 Königen Ausschau. In Kathmandu, einer tollen Stadt, haben wir dann eine lebende weggesperrte Göttin von unter 12 Jahren gesehen, die nach ihrer „Frauwerdung“ dann keine mehr ist und auch als schlechte Partie gilt (sie bekommen auch keine göttliche Rente). Die armen Mädchen (inthronisiert mit ca. 3 Jahren) dürfen nie das Haus verlassen und zeigen sich kurz am Fenster, wenn genug Spenden dargebracht wurden. Ein erbärmliches Dasein. Ich hätte gerne Lego durch die Fenster geschmissen als sie sich zeigte. Wir hatten dann noch Erlebnisse mit einem Taxifahrer, der zwar kein Englisch konnte und auch nicht wußte, wo wir hinwollten, aber trotzdem nicht anhalten wollte und uns beinahe in einen Fluß gefahren hätte. Unsere Lösung: Geld nach vorne schmeißen und als er kurz unaufmerksam war (Wir standen zwischen Slum, Fluß und Leichenverbrennungen, in die er hineingefahren war und wo er auf einem Radius von 4 Meter wendete und beinahe die brennende Kinderleiche und die weinenden Frauen ins Wasser schmiss) haben wir die Tür aufgerissen und sind ausgestiegen. Ich konnte dann noch ein Altenheim bewundern, das Katja bereits mit ihrer Mutter vor ein paar Jahren angesehen hatte. Super, da sollte mal das Johannisstift einen Ausflug hin machen. Hier wurden auch einheimische Schul- und Ausbildungsklassen hingeführt, die die Leute befragten und anglotzten. Etwas delikat erschien die Nähe zu den Verbrennungsghats und die Holzhaufen, die vor der Tür lagen, als ob sich schon jeder Dahinsiechende die Scheite seines Vertrauens reservieren dürfte, welch Privileg! An den Ghats selbst war viel los, um sarkastisch zu sein: es brannte sozusagen die Luft. Viele Touris stört das natürlich nicht und die schaffen es beinahe, das Feuer aus den brennenden Leichen herauszufotografieren.

Die weiteren Tage in Kathmandu haben wir größtenteils auf der Toilette verbracht, man holt sich die Lebensmittelvergiftung natürlich beim Italiener. Alle Wortspiele dazu mit Kathmandu / Kackmandu kennen wir schon, ok? Klo verstopfte dann natürlich auch, was beim synchronen Durchfall ein Problem darstellt. Ihr wollt wahrscheinlich nicht wissen, wie wir gehaust haben. Der Flug nach Bangkok war zum Glück kurz und ohne Zwischenfall von uns absolviert, aber meine Indiana-Jones-Lederpeitsche aus Agra wurde leider einkassiert, wenngleich wir mit 3 Liter Wasser durch die Sicherheit konnten, jetzt hätte ich den Kapitän zwar ertränken, aber wenigstens davor nicht auspeitschen können.

Nach den glitzernden Tempeln in Bangkok und dem guten Essen sind wir auf die Insel Koh Tao gefahren, wo Katja ihren Tauchschein gemacht hat und sich wirklich gut angestellte und mit großem Lob ihres Tauchlehrers verabschiedet wurde. Mein Element ist es definitiv nicht. Aber das Wasser reicht mir immerhin zum Trinken und Waschen.

Wir wünschen Euch einen schönen 1. Advent von der Insel Koh Phi Phi! Die Insel ist nicht groß, aber ein herrlich schönes tropisches Paradies und wie der Name schon sagt, kann man hier sehr gut sein kleines Geschäft machen. Abgesehen von Geralds kindlichen Fäkalwitzen wurde hier der Film „The Beach“ mit Leonardo DiCaprio gedreht und selbst beim Schnorcheln vom Strand aus kommen große, bunte Fische neugierig auf einen zu.

Schuessi, eure Schwaratzkies

Donnerstag, 4. November 2010

Back from the Trek - Aus dem Schatten der Eisriesen

Oh Mann Sorry, ich möchte unbedingt klarstellen, dass das Geralds dramatische Titelidee ist :)
Unser letzter Bericht erfolgte aus dem indischen Varanasi. Von dort aus sind wir mit dem Bus zur Grenze nach Nepal gedüst, die wir per pedes überquert haben. Gefahren sind wir mit einem Nachtbus, der uns um 4.30 im Nirgendwo raus gelassen hat. Aber wo ist nun die Grenze? Scharfschützen? Minen? Aber natürlich nachtaktiv- die ewig emsigen Taxifahrer, die einen überall hinbringen wollen. Der eine sagte, das Ausreisebüro sei nach Norden und die Grenze nach Süden und die anderen beteuerten es uns andersherum, Überfall wahrscheinlich all inclusive. Um halb 6 kam dann ein zerzauster Inder im Unterhemd und setzte sich, um unsere Ausreise offiziell zu genehmigen. Dann wollten sie doch glatt 50 Rs für die Stempel. Katja sagte wie aus der Pistole geschossen, dass sie nicht für Stempel zahle und ging. Ich bin dann hinterher einfach. Schnell geschaltet meine Frau. Die meisten lassen sich bestimmt überrumpeln oder wollen um die Uhrzeit nach der Fahrt einfach nicht diskutieren und hätten gezahlt. Hätte mir auch passieren können. Dann sind wir unter dem Schlagbaum hindurch aus Indien hinaus. Waren 200 Meter im staatenlosen Territorium. Schade, dass ich keine Flagge und ne Hymne dabei hatte, sonst hätte ich Geraldinien gegründet. Population 2: King Gerkules und Citizen Katja. Steuerfrei versteht sich.
Nun also das nepalesische Einreisebüro suchen. Es war selbstverständlich noch nicht offen. 15 Min später bewegte sich ein Rollo mit aller gebührenden Ruhe in die Höhe und wieder ein schnieker Mann im Unterhemd. Der machte jedoch erstmal 20 Min Hausputz und wischte sogar die Regale aus- alles vor unseren Augen. Der konnte das doch nicht ernst meinen, sowas machen die doch alle 5 Jahre nur. Irgendwann ging es los, das Arbeitstempo spottet jeder Beschreibung. Einen Zeitung in Zeitlupe, so dass jede Meldung schon ins Archiv könnte, ausgebreitet. Dann akkurat darauf die Stempel und im 90° Winkel dazu die Stempelkissen angeordnet. Herrlich!
Sind in Pokhara angekommen, sehr entspannte und saubere Stadt wunderschön am See gelegen und von dort nach ein paar Tagen zu einem Trekking aufgebrochen- ab in die Berge mit Flugzeug. Im Wartebereich gab es nicht mal eine Anzeige, man musste die ankommenden Flugzeuge einfach aus dem Fenster erkennen und dann aufs Flugfeld laufen. Alles kleine Propellermaschinen, dann unsere: Kleiner, älter etc. Katja war bedient bereits und zu Recht, denn der Flug war grenzwertig. Wir sind ab Mukhtinath gelaufen und haben damit ca. ein Drittel des Annapurna Circuit geschafft, wem was das sagt. Haben dort noch ne Mütze und Handschuhe gekauft wegen der Kälte. Abends war es in den Gästehäusern immer sehr gemütlich, alle an einem großen Tisch gesessen und mit Feuer drunter. Schlafen mit Schlafsack und Extra-Decken und komplett angekleidet. Ab 16 Uhr wird es sehr kalt und schnell duster und dann ab 17 Uhr meistens kein Strom mehr. Das Wetter war die ganze Zeit super und die Landschaft toll: Tiefe Schluchten, sonnenbeschiene Berge mit schneebedeckten 8000er-Gipfeln, breite Täler, schmale Täler und Flussläufe tief unten im Tal, vorbeiziehende Yakherden…. Aber ab Punkt 11 beginnt ein brutaler Wind. Staub überall. Man wird andauernd von Träger überholt, die mit 2 riesigen Rucksäcken an einem vorbeisprinten. Gehalten werden die Rucksäcke mit Gurten am Kopf. Manche binden sich auch Hühner auf die Rucksäcke noch mit drauf, die brechen deshalb bestimmt immer vor den Westlern auf, damit die das nicht sehen. Katja fühlt sich hier pudelwohl und beschreibt einen Nachmittag so: „Ich sitze hier mitten in Nepal auf einem Dach, mitten im Himalaya, die Sonne strahlt, ich schaue auf kristallklare 7000ender Gipfel, hinter mir sortieren 2 Frauen im Gras sitzend die Wäsche, gegenüber bewacht eine Frau auf dem Dach die Maiskolben und Kürbisse, die auf ihrem Dach trocknen und eine 4. Frau sitzt auf ihrem Dach im Schneidersitz mit ihrem knatterten alten Nähmaschine und näht, um mich herum Apfelbäume. Kann die Welt noch besser sein?“
Jeder Meter nach unten von 3900m auf 1200m verändert die Landschaft und die Temperatur. Die Dörfer anheimelnd- alte Steinhäuser, enge Gassen, alles sauber, gefegte Straßen, nette Menschen, schöne Klöster. Lustige Begegnungen hatten wir auch: Ein Nepalese war nach eigener Aussage mal Parlamentarier und gut bekannt mit Joschka Fischer. Hm, ja klar und Katja ist die kleine Schwester von Angela Merkel, Zufälle gibt es…. Katja hat zum Glück vom einem Träger noch die wichtige Information bekommen, dass eine Strecke, die wir mit dem Bus abkürzen wollten zu gefährlich sei, um sie zu befahren, weshalb wir sie laufen sollten unbedingt. Glück und danke Katja! So kann sich eine Konversation lohnen, die ich wohl nicht geführt hätte, um meine Ruhe zu haben. Eine tierische Begegnung hat uns auch eine unentspannte Nacht beschert. Wir hatten mehrmals Besuch einer Maus-Ratten-Maulwurfmischung, die knisterte und fiepte und unsere Taschen durchwühlte. Da ich es nicht fangen und verspeisen konnte, kann ich nicht mehr darüber berichten, wenn ich aus Kathmandu bißchen von unseren kulinarischen Erlebnissen berichte.
Um nach Pokhara zurück zu kommen mussten wir wieder Busfahrten ertragen, die diesmal über mein Maß an erträglicher Lebensmüdigkeit weit hinausgingen: Zersplitterte Scheiben, Sitzen an offenen Türen mit dem Abgrund im Rücken etc., aber sind gut angekommen, dennoch werde ich sehr froh sein, wenn wir die Berge in dieser Hinsicht verabschieden können! Nach einem Umsteigen bekamen wir die schlechtesten Plätze im Bus, so eng, dass wir nicht reinpassten und die Kante der Ablage begann dort, wo mein Kopf hätte sein müssen, was bei den Schlaglöchern, die hier auf der „gut ausgebauten Straße“ lauern zu einem erheblichen Verlust an mir nötigen verbliebenen Gehirnzellen geführt hätte, das hätte ich mir nicht leisten können. Klingt zwar lustig, aber hätte es nicht geklappt, dass wir uns einfach eine Reihe davor gesetzt haben, dann hätten wir im Gang stehen müssen. Eine Gruppe junger, kleiner und betrunkener Nepalesen war es egal, dass wir auf ihren Plätzen saßen. Die haben dafür stundenlang Party gemacht, gegrölt, laut Handy gehört und mitgesungen etc.
Wir haben also die Wanderung wunderbar gesund überstanden, außer, dass wir froh waren, nicht mehr mit Turnschuhen durchs Gebirge zu laufen.

Indien ist nach doch ganzen 7 Wochen schnell an uns vorübergezogen und nun befinden wir uns in Nepal auch bereits in den letzten Wehen. Morgen früh begeben wir uns auf den Weg nach Kathmandu mit zwei Stops in kleineren Dörfern. Von Kathmandu aus werden wir dann auch weiterfliegen in 10 Tagen. Wir haben heute früh beim mächtigen indischen Frühstück festgestellt, dass wir nun bereits 2 Monate weg sind!