Dienstag, 19. Oktober 2010

Bye Bye India

Ihr habts ja schon erraten, wir waren in Agra!
Als wir es geschafft hatten, Tickets für den Taj Mahal zu kaufen, ohne einen der gefühlten 1000 Touristenführer anzuheuern, haben wir uns angestellt. Es gab eine Frauen- und eine Männerschlange. Katja war fast sofort drin und mußte mind. 30 Min auf mich warten. Ich stand in meiner vollen Schlange und natürlich in der Sonne. So schmolz ich dahin. Hatte aber nen Reiseführer hinter mir, der gut Englisch und auch bißchen Deutsch konnte. Als Katja am Ende einmal in unsere Nähe kam und was erzählte, meinte er danach zu mir: Da versteht man ja gar nix, so schnell wie die quasselt. Katja durfte mit den anderen Frauen, auch nicht dort stehen, wo sie wollten. Sie wurden regelmäßig mit der Trillerpfeife weggepfiffen, natürlich aus dem Schatten der Gebäude. Letztendlich war es aber schön und schon sehr beeindruckend, Aber wenn wir uns was hätten wünschen dürfen, dann wären wir gerne dort allein gewesen- es war nämlich brechend voll.
Haben noch weitere Attraktionen von Agra angeschaut und sind dann aber gleich weiter in die Stadt der Toten, Varanasi!

Die Gassen hier sind nicht breiter als 1,5m und relativ hohe Häuser = Null Orientierung. Sieht auch alles gleich aus und es ist einen beständige Kuhautobahn. Problem: die ausgewachsenen Kühe sind so breit wie die Straße. Aber die Straße hat im Gegensatz keine Hörner, kann nicht austreten und nicht auf die Schuhe kacken. Wie es hier riecht und wie der Boden aussieht, kann man sich vorstellen, denke ich. Ab und an wird einen Leiche an einem vorbeigetragen und schwups, man hat sich verlaufen. Fragen braucht man auch nicht. Beschreibung sinnlos, weil man alle 10 Meter eine Kreuzung mit 4 Möglichkeiten hat. Hier bekommt man alle 3 Meter alle erdenklichen Drogen angeboten, die ich kenne. So was haben wir noch nie erlebt. Die Inder selbst kauen beständig irgendwelche Sachen und können deshalb nicht richtig sprechen. Haben dann abends das Main Ghat gefunden und das erst Mal die Ganga Artii gesehen. Eine Frau hat uns dann 2 kleine Blumen-Schwimmkerzen-Körbchen angedreht, sie machte es auch sehr nachdrücklich, so dass wir überrumpelt wurden. Wir haben es blöderweise zugelassen, da Katja das immer schon mal machen wollte. Katja also beide zu Wasser gelassen. Danach wollte sie 500 Rs haben, schließlich war es für Vater, Mutter, Schwester, Bruder etc. gaaanz viel Segen. Katja hat erst 5, dann 50 verstanden und dann erst begriffen, dass sie 500 meinte. Am Ende ist sie mit 20 beleidigt abgezogen. Auf dem Rückweg haben wir uns heillos verlaufen. Haben dann in unserem von gitarrespielenden Vorstadt-Hippies der europaeischen Mittelschicht bevoelkerten Hostel so extrem lange auf unsere verdientes Essen gewartet, dass ich geistig schon ausgezogen war.

Es gibt 1000ende Schlepper-Geschichten in den 4 Tagen zu erzählen, besonders aber ein Typ der uns lange verfolgt hat. Den treffen wir jeden Tag wieder und er ruft immer: Hey, my friend. Come to my shop. Unsere Antwort immer: Hey, mayby this afternoon or tomorrow. Dann lacht er und wir klopfen uns auf die Schultern. Die Straßen sind hier wegen der momentan stattfindenden Durga Puja geschmückt und mit Lichterketten beleuchtet. Überall werden Blumenketten angeboten und viel Tam Tam , Zelte mit Durga-Statuen etc.
Sind um 5 Uhr aufgestanden, sollten um halb 6 pünktlich unten am Tresen sein, um mit dem Boot unseres Hausherren beim Sonnenaufgang auf dem Ganges zu schippern. Die Haustür war verschlossen und er nicht da, so vergingen 10 Minuten. Es waren noch 2 Chilenen da, die auch mitwollten. Die resolute junge Dame hat dann bei ihm an die Tür gehauen und gerufen. Da kam unser Shiva zerzaust, zerknittert und verschlafen vom Vorabend gezeichnet heraus und schien von seinem Boot nix mehr zu wissen, waren ihm wohl zu wenig zusammengekommen. Wir uns also mit den beiden anderen zusammengetan und selbst ein Boot genommen. Wenigstens haben wir so Geld gespart. Wollten ja nur mit ihm fahren, um uns loyal zu unserem Guest House zu zeigen. Fahrt in der Dämmerung war schön, aber schon richtig viel los an den Ghats. Hier baden und waschen sich alle morgens bevor sie ihrem was auch immer Tagesgeschäft nachgehen. Die Leute putzen sich mit Zuckerrohr die Zähne, Waschen ihre Klamotten und Kinder oder beten einfach nur. Sind dann am Verbrennungs-Ghat ausgestiegen, der schon weit sichtbar gut in Betrieb war. Hatte heute morgen anscheinend schon viele Kunden. Sind ein paar Zentimeter neben brennenden Scheiterhaufen, aus denen die verbrannten Köpfe rausschauten und auch mal nen Schenkelchen rausfiel, vorbeigelaufen. An eingepackten Leichen, die noch auf ihren letzten Auftritt warteten. Die Atmosphäre ist sehr natürlich. Hunde rammeln und pinkeln Männer an die Beine, die eher einfältigen Holzträger und Aschenkehrer albern und lachen. Wir konnten auch mit ansehen, wie eine Leiche gerade frisch angezündet wurde und der Sohn noch schnell das Tuch zurückgezogen hat und ein Handyfoto gemacht hat. An einem anderen Scheiterhaufen hatte sich der Unterschenkel selbstständig gemacht und ragte nach oben heraus und hatte ganz verkrüppelte Zehen. Später haben sie noch eine Leichte gebracht, die war so dünn, die muss verhungert sein. Über dieser ganzen Szenerie wanderte die blutrote Sonne den Horizont empor. Auf dem Rückweg haben wir dann doch tatsächlich noch eine stinkende Wasserleiche paar Zentimeter neben uns vorbeischwimmen sehen. Also Beweis erbracht, dass Leichen im Ganges schwimmen und umso mehr auf dem Boden liegen.
Hier gibt es auch viel Fisch zukaufen, da der sicher nicht importiert ist, wird er wohl seinen speziellen Gangesgeschmack haben: Abfall-Asche-Seife-Opfer-Leichen-Gemisch, brr. Wie wird hier überhaupt die Wäsche sauber?

Ein Highlight der Stadt für Katja: Eine Hündin mit blutiger Ratte im Maul mit ihrem 3 Welpen, die alle versucht haben, einen Happen abzubeißen und die sie dann durch den Schwanz der Ratte verbunden hinter sich her geschliffen hat.

Haben dann noch unsere erste Durgaprozession gesehen. Ein bunter Elefant voraus, dann eine Art Spielmannszug mit lustigen Uniformen und kleinen Tänzern mit Rüstung und Schwertern und dann der Wagen mit der riesigen Durgastatue und zuletzt die Partygesellschaft mit großen Hifi-Boxen. An den Ghats werden die selbstgebastelten Statuen unter lauten Beifall, Gebrüll, Tanz und Getrommel versenkt.
Ab und zu gibt es Prügeleien und Polizeistockeinsatz, offensichtlich darum, wer seine Statue an welcher Stelle und zu welchem Zeitpunkt in den Ganges hauen darf.

Nachhher gehts dann nach: Der sein Ziel erreicht hat, sagte: 'Wenn ich nicht mehr bin, werden gläubige Menschen (…) vier Orte besuchen (…)'- wo wurde ich geboren?

Machts gut,
eure Schwaratzkies

9 Kommentare:

Papa Uwe hat gesagt…

Ich finde es sehr interessant, was Ihr zu erzählen habt. Könnte meinethalben noch viel ausführlicher sein. Ich hätte so viele Fragen, z.B. diese: Finden die Besichtigungen vom Taj Mahal nach Geschlechtern getrennt statt? Was ist die Stadt der Toten? Was ist ein Ghat? Was sind die Ganga Artii? Also, schreibt ruhig ausführlicher und erklärt mir ahnungslosem Mitteleuropäer die Welt, die Ihr dort erlebt! Wenn Ihr schon ohne uns so interessante Sachen erlebt, dann lasst es uns möglichst intensiv miterleben!

Almutituti hat gesagt…

Boah, warum geben wir Europäer soviel Geld für Beerdigungen aus, wenn s auch so geht!?
Wunderbar, da lernt man doch mal einen natürlichen Umgang mit dem Tod :)
Wir haben übrigens auch grade wieder Mäuse in unserer Küche, da könntet ihr ruhig mal `n süßen Welpen vorbeischicken!

Anonym hat gesagt…

incredible India...selten, dass ein Werbeslogan so passt...

Gerald hat gesagt…

Wir halten uns mit der Textmenge so gut zurück wie wir können. Haben schon bei der Menge ein schlechtes Gewissen Euch so viel zuzumuten. Deswegen auch nicht zu viel touristische Theorie, um die Texte kurzweiliger zu halten :o)
-Stadt der Toten=Varanasi
-Ghat=Treppenstufen am Flussufer (Baden, waschen, Tote verbrennen)
-Taj Mahal=Keine getrennte Besichtigung nur in den Warteschlangen getrennt
-Ganga Artii=Zeremonie zu Ehren der Göttin Ganga.

Führen aber natürlich ein ausführliches Tagebuch

Papa Uwe hat gesagt…

Allerbesten Dank, Gerald, für die kurzen, aber erhellenden Erklärungen! Ich verstehe, dass Ihr nicht immer alles ausführlich erklären wollt. Aber ich bin ein wissbegieriger Mensch und werde mir vielleicht auch in Zukunft erlauben, ab und zu mal Verständnisfragen zu stellen. Wie sagt das Sprichwort: Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen - ja kann er, aber muss er dann oft auch :-). Ich will eben auch davon profitieren, dass meine Kinder so weit in der Welt herumkommen. :-)

elk hat gesagt…

War schön euch heute zu sehen ihr beiden Lieben!

eis hat gesagt…

Ich finde, ihr solltet kein schlechtes Gewissen bei der Menge haben. Ich les auch sehr gern das doppelte (oder dreifache, oder vierfache ...)
:-)

Stephan A. hat gesagt…

Herrlich lesbar, amüsant, weiter so! Das hat schon hohen Unterhaltungswert.
Gute Reise weiterhin ihr Lieben!

Nanny-Gudrun hat gesagt…

Kurz bevor der neue Bericht erscheint möchte ich noch rasch das Rätsel lösen:

Die nächste Station ist Nepal und hier gings zu Buddhas Geburtsort, den Lumbini-Park